Annähernd ein Viertel der deutschen Bevölkerung ist gegenwärtig in unzähligen Sportvereinen als Mitglied eingeschrieben.
Wandern, Walking, Joggen, Schwimmen, Fußball sind die beliebtesten Sportarten.
Die Fitness-Bewegung war noch nie so stark in unserem Land verbreitet. Wer
gesund bleiben will, weiss heute, dass er sich ausdauernd bewegen muss. Die
Stadt Falkensee ist nicht nur als Gartenstadt bekannt, sie hat zahlreiche
Sportvereine, darunter den zahlenmäßig größten Sportverein der Mark
Brandenburg.
Da können sportbegeisterte Menschen es nicht recht
begreifen, dass am 2. Januar 1820, also vor 200 Jahren, durch Königsorder ein
allgemeines Turnverbot in Preußen ausgesprochen wurde. Auf öffentlichen
Plätzen, in Vereinen und Schulen ließ König Friedrich Wilhelm III.
Leibesübungen generell verbieten. Dieses Verbot bestand etwa 22 Jahre und wurde
erst durch König Friedrich Wilhelm IV. am 6. Juni 1842 wieder aufgehoben. Was
war geschehen, welche Gründe führten zu dieser für uns unverständlichen
Maßnahme? Hat die Obrigkeit hier nicht verantwortungslos die Fürsorgepflicht
für ihre Bürger verletzt?
Vor 200 Jahren steckte die Sportbewegung noch völlig in ihren Anfängen. Friedrich Ludwig Jahn, der
Gründer des Turnens aus Lanz in der Prignitz begann seine quasi experimentellen
Turnübungen als Privatlehrer 1803 bis 1804 mit einigen Privatschülern in
Neubrandenburg, übernahm von dem Pädagogen Christoph Friedrich GutsMuths einige Turngeräte, setzte seine Bemühungen ab
1810 in Berlin fort und gründete am 13.11. 1810
in der Berliner Hasenheide den geheimen
Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Seine erste öffentliche
Turnveranstaltung am 19. Juni 1811 auf
der Hasenheide in Berlin zählt heute zum Beginn der
deutschen Sportbewegung. Daran erinnert jetzt am ersten deutschen Turnplatz ein
Denkmal. Jahn hatte auch für diese körperlichen Aktivitäten an und mit Geräten
den Begriff „Turnen“ geprägt, den er sicher von dem Begriff der ritterlichen
Turniere abgeleitet hat.
Allerding darf man nicht übersehen, dass Turnvater Jahn aus
der Prignitz damals den Zweck seiner Turnübungen nicht so sehr in der
Gesundheitsförderung der Turnjugend gesehen hat, sondern in der Zeit der napoleonischen
Besatzungszeit die jungen Männer aus nationalen Befreiungsabsichten zum Kampf gegen die Besatzungsmacht, wohl
auch zum Kampf für die nationale Einigungsbewegung wehrhaft ertüchtigen wollte.
In kurzer Zeit wurden in diesem nationalem
Enthusiasmus in 150 deutschen Städten Sportvereine gegründet, und die Zahl der
Mitglieder wuchs schnell auf 12.000 heran. Mit dieser national gesinnten
Turnbewegung lag Friedrich, Ludwig Jahn
nach 1815 im Einklang mit der national gesinnten Jenaer Burschenschaft, einer
Studentenbewegung die später 1832 das schwarzrotgoldene Banner zu einer der
ersten großen politischen Massenveranstaltung auf dem Hambacher Schloss hisste.
Zu dieser frühen Burschenschaft zählte auch der aus Wunsiedel stammende Student
Carl Ludwig Sand, der den aus Weimar stammenden Schriftsteller August Friedrich
Ferdinand von Kotzebue, vorübergehend als russischen Gesandten tätigen
Politiker, der zuletzt in Mannheim wohnte und in seinen Schriften die politisch
aufrührerischen Universitäten kritisierte, vor allem die freiheitlich gesinnten
Studentenbewegungen aufs heftigste angriff, als üblen Verräter bezeichnete und
ihn am 23. März 1819 in Mannheim ermordete. Carl Ludwig Sand wurde zum Tode
verurteilt und am 20. Mai 1820 in Mannheim öffentlich hingerichtet.
Diese Tat löste im konservativen Bürgertum und beim Adel ein Entsetzen
aus über den angelasteten moralischen Verfall an den deutschen Universitäten.
Tatsächlich nutzte Fürst Metternich nach Abstimmung mit König Friedrich Wilhelm
III am 1. August 1819 in Teplitz diese breite Empörung
für eine erste staatliche Demagogenverfolgung, die
letztlich ausgerichtet war auf die Unterdrückung der demokratischen Freiheits-
und nationalen Einigungsbewegung. In den Karlsbader Beschlüssen wurden u. a.
die Burschenschaften verboten. Bei diesen frühen Restaurationsbemühungen der
Obrigkeit geriet auch die nationale Turnbewegung Friedrich Jahns ins Visier.
Bereits am 13. Juli 1819 wurde Turnvater Jahn verhaftet. Er saß über fünf Jahre
in Festungshaft in Spandau, Küstrin und Kolberg und kam erst am 15. März 1825 frei, durfte aber
seinen Wohnsitz nicht mehr in Universitätsstädten nehmen und zog daraufhin nach
Freyberg in Thüringen.
Dort wurde er erst 1840 amnestiert. Knapp sechs Monate nach der Verhaftung Friedrich Jahns ordnete
der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 2. Januar 1820 in einer königlichen
Order das allgemeine Turnverbot in Preußen an. In Sportvereinen und Schulen
wurde die körperliche Ertüchtigung junger Menschen eingestellt. Damit sollten
die Brutstätten der Revolution ausgeschaltet werden. Turnvereine wurden
verboten, Turngeräte auf der Berliner Hasenheide
entfernt. In der Order hieß es unmissverständlich: „Alles
Turnen hat schlechterdings zu unterbleiben. Nicht allein diejenigen, die
dagegen handeln sind durch Strafe und Härte davon abzuhalten, sondern auch die,
welche darüber berichten.“
Selbst der damalige 1.Kultusminister Preußens und
erfolgreiche Kulturpolitiker Wilhelm von Humboldt wurde vom König aus dem
Staatsdienst entlassen, weil er die Karlsbader Beschlüsse kritisiert hatte. Die
öffentliche Turnbewegung war für 22 Jahre gestorben.
Erst zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt hob Friedrich Wilhelm IV:
1842 dieses Verbot seines Vaters mit einer zielgerichteten Zweckbeschreibung auf.
Leibesübungen sollen nun allein der Leibesertüchtigung dienen. In dieser Order vom
6. Juni 1842 heißt es: „... durch eine harmonische Ausbildung
der geistigen und körperlichen Kräfte dem Vaterlande tüchtige Söhne erziehen.
Da nun die Gymnastik, wenn von ihr alles entfernt gehalten wird, was die
physischen und insbesondere die moralischen Nachtheile des früheren Turnwesens
herbei geführt hat, besonders geeignet erscheint, die Erreichung des
angegebenen Zieles zu befördern, so genehmige ich, dass die Leibesübungen als
ein nothwendiger und unentbehrlicher Bestandtheil der männlichen Erziehung förmlich anerkannt und
in den Kreis der Volkserziehungsmittel aufgenommen werden.“
Bereits 1837 wurden erstmals
Leibesübungen an Gymnasien gestattet. Das erste allgemeine Deutsche Turnfest
fand statt am 16. Juni 1860 in Coburg. Einem Foto aus dem Jahre 1911 kann man
entnehmen, dass der erste Männer-Turnverein Falkenhagen-Seegefeld 1894
gegründet wurde.