Ausflug mit dem Förderverein des Heimatmuseums in die Barlachstadt Güstrow
15. Juni 2002
(Hans-Ulrich Rhinow)
Frau Kerl begrüßte am Samstagmorgen 36 ausflugsaktive und erwartungsfrohe Freunde des Falkenseer Heimatmuseums. Fußballfreunde unter ihnen konnten sich zufrieden in die hohen Sitzpolster des Busses zurücklehnen, denn der Fahrer hatte ihnen versprochen, die Übertragung des deutschen Fußballkampfes am frühen Vormittag gegen Paraguay um den Einzug ins Achtelfinale rechtzeitig einzuschalten. Vorbei am Alten Finkenkrug fuhr der Bus über den westlichen Autobahnring zum Dreieck Havelland. Dann ging es auf der A 24, ab Wittstock auf der A 19 Richtung Rostock bis zur Anschlussstelle Krakow. Bereits hier verließen wir die Autobahn, weil die Ausfahrt Güstrow zu dieser Zeit gesperrt war, und rollten über abgelegene verträumte und holprige Landstraßen des Mecklenburger Seenlandes nach Güstrow, wo wir überaus pünktlich auf dem Parkplatz am Schloss eintrafen, während in Korea die sportliche Auseinandersetzung noch nicht entschieden war. Die zwei voraus engagierten Stadtführer erwarteten uns dort zu einem zweistündigen Stadtrundgang.
Auf der ältesten Ausfallstraße der Stadt, die vom Schloss her ins Zentrum führt, und von ansehnlichen schmucken Bürgerhausgiebeln gesäumt ist, vorbei am alten Stadttor wurden wir in die Geschichte der Barlachstadt Güstrow eingeführt. In dieser Region kam es im 12. Jahrhundert zur Verschmelzung von slawischer und deutscher Kultur. So übernahm die deutsche Siedlungsgründung den slawischen Ortnamen Guztrow (Eidechsenort). Die urkundlich zuerst 1228 erwähnte Stadt Güstrow blühte auf in alter Hansezeit durch Woll- und Textilhandel, litt gewaltig im Dreißigjährigen Krieg, erlebte einen längeren Aufenthalt des im Schloss fürstlich residierenden Feldherrn Wallenstein, damals auch die vergeblichen Friedensbemühungen bei den Güstrower Verhandlungen der beteiligten Kriegsherren am Marktplatz 1.
Zwölf Jahre nach der Wende ist die Mehrzahl der alten Bürgerhäuser renoviert, für 3,8 Millionen Euro richtet man gerade das dreigiebelige Rathaus her und gibt ihm wieder die ursprüngliche rosefarbene Fassade mit der alten Uhr zurück.. Mitten auf dem Marktplatz erlebten wir den erlösenden Jubelschrei einer mit Radio ausgestatten Touristengruppe über das in Korea endlich erzwungene Siegestor der deutschen Fußballmannschaft. Gegenüber der alten Pfarrkirche, ein im 18. Jahrhundert beim großen Stadtbrand zerstörter Backsteinbau, der bis 1730 wieder hergerichtet wurde und in ältesten Zeiten noch von einem Friedhof umgeben war, steht ein freundlich einladendes Hotel, früher einmal Fest- und Tanzhaus der Jugend. Und weil der alte bronzene Archimedes vor dem Kircheneingang so aufmerksam die letzten Tanzwütigen beim Verlassen des Vergnügens am Morgen beäugte, hat man ihm angeblich seinen Zeigestock gestohlen. Vorbei an der Krönchenhagen Straße, wo die ehemalige von den Nazis zerstörte Synagoge stand, konnten wir bald darauf Reste der alten Stadtmauer erblicken. Das Stadttor selbst ist längst abgerissen. 300 m draußen vor dem Stadttor steht heute noch die kleine schmucke Pilgerkapelle, Gertrudenkapelle genannt. Damals mitten im Güstrower Friedhof gelegen, bot sie Fremden, die abends nicht mehr rechtzeitig die Stadttore passieren konnten, Unterkunft und Schutz.. Seit 1953 hat die Stadt Güstrow ihrem großen Künstler Ernst Barlach hier eindrucksvolle Ausstellungsräume eingerichtet. Bekannte Plastiken des Künstlers "Mutter Erde", "der Beter", "der Zweifler" wurden bereits zur DDR-Zeit aufgestellt.
Unsere Stadtführung schloss auch die Besichtigung des berühmten Güstrower Domes ein, der am 3. Juni 1226 von Heinrich Borwin II., dem Enkel des zum Christentum übergetretenen Slawenfürsten Pribislaw, auf dem Sterbebett gestiftet und schließlich 1335 von Bischof Cuno eingeweiht wurde.
Diese mächtige Hallenkirche mit ihrem 43 m hohen Kirchturm ist reich ausgestattet mit Kunstwerken, darunter auch mit Plastiken von Ernst Barlach. Sein schwebender Engel erinnert an die Toten des ersten Weltkrieges. Ein reich ausgestatteter holzgeschnitzter Flügelaltar aus einer Hamburger Werkstatt steht vor den hohen Kirchenfenstern. Links im Altarraum schauen auf den Betrachter herab Herzog Ullrich von Mecklenburg und seine Gemahlin Elisabeth, ehemals dänische Prinzessin. Ein Stammbaum des von Heinrich dem Löwen zum Christentum bekehrten slawischen Stammesfürsten Pribislaw erinnert daran, dass die Grabliege Pribislaws nicht weit von Güstrow im Kloster Dobbertin zu suchen ist. Die Stadtführerin erinnerte an den Staatsbesuch Helmut Schmidts in Güstrow, der sich von den DDR-Mächtigen eine Besichtigung des Güstrower Domes gewünscht hatte.
Nach dem Mittagessen schloss sich die Besichtigung des Güstrower Renaissanceschlosses an. In zwei Gruppen stiefelten wir durch die Räume der drei Flügel des alten Baus, der heute dem mecklenburgischen Landesmuseum in Schwerin angeschlossen ist und seit der großen Landesausstellung interessante Kunstwerke des mecklenburgischen Kulturgutes in drei Stockwerken enthält.. Neben holzgeschnitzten Altären gibt es Heiligenfiguren aus der christlichen Religionsgeschichte zu bewundern, im Festsaal eine einzigartige Stuckdecke mit räumlich aus der Deckenebene herausragenden Figuren und einem umlaufenden Hirschfries mit echten Geweihen. Dieses Schloss mit seinem wieder hergestellten französischen Park hat nach dem Auszug der Mecklenburgischen Herzöge eine wechselvolle Geschichte erlebt und zeigt sich jetzt dem Besucher im neuen Glanz.
Gleich anschließend brachte uns unser Bus zur Stadt hinaus zur nordöstlichen Uferregion des Insel-Sees auf den Parkplatz vor dem Atelierhaus Ernst Barlachs am Heidberg 15, der hier in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, also direkt zur kunst- und menschenverachtenden Nazizeit lebte. Der empfindsame Bildhauer, Grafiker und Dichter (1870-1938), dessen Werke die Nazis als entartete Kunst abstempelten und dem Künstler ein Berufsverbot ausgesprochen hatten, fühlte sich verfolgt und derart bedroht, dass er zeitweise versteckt bei Freunden auf dem Nachtkästchen einen Revolver bereitgelegt hatte.
Die Besucher des Barlachmuseums können hier vor allem Bauern, Bettler, Arme und Leidende in ausdrucksvollen Skulpturen in neuen Museumsräumen und in seinem Arbeits- und Wohnhaus bewundern.
Auf den Parkplatz zurückgekehrt wurden wir von unserem Busfahrer darüber informiert, dass England das Fußballspiel gegen Dänemark 3:0 gewonnen hatte.
Unsere Rückfahrt unterbrachen wir im Restaurant an der Seepromenade in Krakow. Bei einer Tasse Kaffee und einem leckeren Stück einer Hochzeitstorte ließen wir vor der zauberhaften Seekulisse und den heraufziehenden drohenden Gewitterwolken den erlebnisreichen Tag in Güstrow noch einmal Revue passieren. Eine eindrucksvolle Ausflugsfahrt endete am späten Abend in Falkensee. Schön war´s; vielen Dank dem Förderverein des Heimatmuseums als Veranstalter und seinen Organisatoren, an diesem Tag vor allem der Vizevorsitzenden Frau Kerl, die für die 35 Teilnehmer diesen Ausflug bestens vorbereitet hatte.
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