nach Lenzen
03. Juni 2004
(Hans-Ulrich Rhinow)
Burgdamen und Filzhüte in Lenzen-
Busausflug mit dem -Förderverein in die Prignitz
Klaus Sanders, Vorsitzender vom Förderverein des Heimatmuseums Falkensee,
hatte Mitglieder und auch Gäste für den 5. Juni 2004 zur traditionellen
jährlichen Busfahrt diesmal nach Lenzen in der Prignitz eingeladen. An
diesem grauen Samstagmorgen versammelten sich 28 erwartungsfrohe Ausflügler
in der Falkenhagener Straße vor dem Heimatmuseum. Frau Kerl, die uns sonst
immer über den ganzen Tag hinweg mit Informationen und touristischen Hinweisen
versorgte, war zwar pünktlich erschienen, aber leider nur um allen mitzuteilen,
dass sie sich wegen akuter Fußbeschwerden bedauerlicher Weise nicht in
der Lage sieht, mitzureisen.
Herr Sanders begrüßte sehr herzlich die Damen und kurz und knackig die Herren, als der Reisebus "Gegenwind" mit dem überaus freundlichen, besonnenen und wendefreudigen Fahrer Falkensee Richtung Dallgow verließ und auf der B 5 über Nauen und Ribbeck hinaus Richtung Perleberg rollte.
In das monotone Motorengeräusch mischte sich zunächst das ständige
Klicken des großen Scheibenwischers. Erst hinter Perleberg klärte
sich der Himmel auf und ließ in wechselnden Abschnitten mit freundlichem
Sonnenschein Felder, Wiesen und Auen der Prignitz mit frischem Grün frohlocken.
Auf verkehrsarmen Nebenstraßen erreichten wir gegen 10 Uhr das kleine
verschlafene Städtchen Lenzen mit seinen vielen Fachwerkhäusern im
äußersten nordwestlichen Zipfel der Mark Brandenburg an der Löcknitz
in Sichtweite der Elbe gelegen,
Auf dem kleinen Parkplatz in der Nähe der Burg unter Aufsicht eines fürsorglichen
Storches im hohen Nest pausierte erstmals unser großer Bus.
Wir mussten noch ein paar Minuten warten, bis unsere bestellte Burgführerin
herbeigeeilt war. Sie entpuppte sich als Aushilfskraft nach längerer Arbeitspause
und war nicht immer in der Lage, die Lenzener Geschichtsereignisse chronologisch
sicher aneinanderzureihen.
Soviel ist sicher, Lenzen kann vor allen Prignitzstädten die älteste
Chronik vorweisen. Früheste Aufzeichnungen gibt es vom 4. September 929.
An diesem Tage schlug das Heer der Sachsen unter dem Befehl des ersten deutschen
Königs Heinrich I. unter der Führung des Grafen Thietmar von den linkselbischen
Hügeln des Höhbeck aus die Redarier in der Nähe der Wendenburg
Lunkini (Lenzen). Die Schlacht entschieden neue überlegene Reiterabteilungen
mit einem überraschenden Flankenangriff. Heinrich hatte sein Reiterheer
erstmals ein Jahr zuvor in Brandenburg erprobt und nicht zuletzt mit seinem
bewaffneten flinken Reiterheer den Ritterstand begründet. An der Nahtstelle
zwischen dem eingewanderten Wendenvolk und den Herzogstämmen des erstmals
vereinten deutschen Königsreiches westlich der Elbe war es seit dem 9.
Jahrhundert immer wieder zu kriegerischen Auseinendersetzungen gekommen, da
die Slawen bestrebt waren über die Elbe hinaus Land in Besitz zu nehmen.
Karl der Große und auch Heinrich I. konnten trotz des erneuten eindrucksvollen
Sieges bei Lenzen noch keinen endgültigen Sieg über die Wenden östlich
der Elbe feiern. In dieser Region waren die fortwährenden kriegerischen
Auseinandersetzungen erst 1147 abgeschlossen. Bald danach errichteten märkische
Grenzwächter auf den Trümmern der slawischen Königsburg eine
trutzige mittelalterliche Befestigungsanlage. Der Burgfried ist am Fuße
aus einer 2,4 m starken Mauer errichtet, besaß ursprünglich keine
Eingangstür, nur eine hochgelegene Eingangsluke, die bei typischen Fluchtburgen
dieser Zeit allein über eine Leiter erreichbar blieb. An dem Schnittpunkt
zweier Handelswege von Hamburg nach Berlin und von Magdeburg nach Hamburg, genau
an einer verkehrsgünstigen Elbefurt entwickelte sich Lenzen früh zu
einer Siedlung mit Stadtrecht.
Der Niederländer Gijsels van Lier entwickelte nach dem Dreißigjährigen Krieg Lenzen zu einer sauberen, geschätzten wohlhabenden Stadt, die bald 3000 Einwohner zählte und jetzt auch hinter schützenden Elbdeichen lag. Bald nach Einführung der Schulpflicht 1760 besaß Lenzen dreimal soviel Lehrer wie die Stadt Berlin.
Nach dem letzten Krieg wurde die Burg als Entbindungsheim, Krankenhaus, Sitz der Kommandantur sowjetischer Streitkräfte, als Pionier- und Altersheim genutzt. Der letzte Privatbesitzer schenkte die Burg 1993 dem Niedersächsischen Landesverband des BUND. Heute beherbergt die teilweise restaurierte Anlage das Heimatmuseum und das Europäische Zentrum für Auenökologie. Vom 20 m hohen Turm schweift der Blick weit über die Elbwiesen, über den breiten Elbfluss hinweg zu den Uferhöhen der Antennenhügel des Höhbeck nördlich von Schnackenburg im niedersächsischen Wendland. Falkensee und Lenzen lagen zwischen 1961 und 1989 unmittelbar an der innerdeutschen Grenzlinie, und die Gedanken der älteren Falkenseer wurden gerade hier angesichts einer friedlichen Landschaft an zurückliegende, bittere Trennungsjahre erinnert. Die Museumsfachleute erfreuten sich an den wirkungsvollen hellen Ausstellungsräumen und den repräsentativen Ausstellungsvitrinen.
Mittags rollte der Bus vorsichtig an einem Sperrschild vorbei unmittelbar an das Deichgelände heran. Hinter den Wällen versteckte sich ein einladendes Bootshafen-Restaurant, dessen Wirtsleute nach vorausbestelltem Plan üppiges Bauernfrühstück, Schnitzelbraten oder auch vegetarische Kost servierten.
Anschließend besuchten wir die Filzschauwerkstatt in Lenzen. Hier erfuhren wir, wie edle Schafwolle eingefärbt, gekämmt, in Lagen auf Formen gelegt und zeitaufwendig gewalkt und gleichzeitig zu ansehnlichen modischen Filzkörpern gestaltet wird. Im Verkaufsraum wurde eifrig anprobiert. Bunte, modische Filzhüte, alles Unikate mit vielfältigen, einfallsreichen Accessoairs, zogen die Damenwelt in ihren Bann, und viele sahen unter der breiten Krempe fesch und verführerisch aus. Stimmung kam auf und wurde im benachbarten Konsum-Museum aus DDR-Zeiten auf den Höhepunkt gebracht.
Im Landgasthaus Bauer in Ferbitz stärkte sich die Reisemannschaft mit ausgezeichnetem Tortengebäck und kräftigen Kaffee, bevor es nach 17 Uhr auf beschaulichen Wegen heimwärts ging über Havelberg, durchs Rhinower Ländchen nach Friesack und auf der B 5 zurück nach Falkensee. Ein erlebnisreicher Tag mit vielen neuen Eindrücken und vielfältigem Gedankenaustausch, mit nachwirkenden Gesprächen und neuen Bekanntschaften klang gegen 19.30 Uhr befriedigend für alle Teilnehmer aus. Es bleibt zu danken, vor allem den Organisatoren der diesjährigen Ausflugsfahrt, und wer nicht mit dabei sein konnte, dem sei geraten, diesen Vereinsausflug im nächsten Jahr rechtzeitig und fest zu buchen.
Hans-Ulrich Rhinow
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