Busreise in die Prignitz (3.6.00)

Besichtigung der Altstadt von Perleberg, der Wallfahrtskirche von Bad Wilsnack

und der Plattenburg

 

Der Förderverein des Heimatmuseums Falkensee lud diesmal seine Mitglieder zum Jahresausflug in die Prignitz ein. Auf der B 5 über Nauen, Friesack und Kyritz hinaus erreichten wir nach zweistündiger Busfahrt Perleberg, die annähernd 800jährige Handwerkerstadt in der Prignitz, deren sehenswerter historischer Stadtkern sich schutzsuchend auf den Inseln der Stepenitz entwickelte. Die Stepenitz rächte sich etwa alle 12 Jahre mit bedrängendem Hochwasser, das erst in jüngster Zeit durch Einrichtung eines Überflutungsgebietes im Vorfeld geregelt abfließen kann.

 

Just an diesem Wochenende feierten die Perleberger ihr Rolandsfest und hatten aus diesem Anlaß die Altstadt besonders festlich herausgeputzt. Dieser Festtagsglanz überstrahlte an diesem sonnigen Tag die seit der Wende vielfach restaurierten alten und nun wieder neu erstandenen reich verzierten Giebelfronten der verwinkelten Innenstadt. Diese zehnjährige Restauration der lange Zeit vernachlässigten Wohnstätte mit ihren rund 15 000 Einwohnern hat bereits Städtebau-Fördermittel in Höhe von mehr als 38 Millionen Mark verschlungen, und es gibt wahrlich noch genug weitere neue Anträge. 1990 wiesen 80 % aller Häuser der Altstadt äußere sichtbare Mängel auf.

 

Ansehnlich sind u.a. bereits die drei großen Schulgebäude aus der Gründerzeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie geben Zeugnis darüber, dass Perleberg zur Jahrhundertwende seine zweite Blütezeit erlebte. Ein sinniger Wandspruch an der schmucken roten Backsteinfront der Mädchenschule: "Ohne Fleiß kein Preis" erinnert an die wirtschaftspolitische Losung, die damals eben auch zum bürgerlichen Wohlstand führte. Die erste längere Phase äußeren Wohlstands erlebte die Stadt im 15. und 16. Jahrhundert. Dieses frühe Aufblühen endete jäh im 30jährigen Kriege, als plündernde und mordende Kriegshorden mehrmals in großer Zahl nachhaltig vernichtend über die Bürger und ihre Stadt herfielen und sie kurzfristig sogar unbewohnbar zurückließen. Dieser Schock wirkte sich auf Perleberg weitere Entwicklung über 250 Jahre hinweg aus.

 

Die "Gänseburg" erinnert mit einem Wappen an der Fassade an den Stadtgründer (1239) Johannes Gans, den Edlen Herren von Putlitz. Das alte Gemäuer mit seiner vielfältigen Vergangenheit war in der Folge Schloß, Gefängnis, Feuerwehrgebäude und vereinigt nun Gaststätten, eine umfangreiche Bibliothek, ein supermodernes Ausstellungsgebäude mit Festsaal zu einem wirtschaftlich-kulturellem Begegnungszentrum.

 

Am anderen Ende der Altstadt hat im ehemaligen alten Schulhaus, das einst auch die berühmte Opernsängerin Lotte Lehmann besuchte, das Heimatmuseum seine Unterkunft. In drei Stockwerken erinnert eine reichhaltige Sammlung an die Geschichte der Stadt, an berühmte Bürger wie den Kunstmaler Hans Seiler, an das Leben der Bürger in grauer Vorzeit, an Handel und Wandel über die Jahrhunderte hinweg. Der Gang durch dieses Museum ist lehrreich und stimmt nachdenklich, er rundet den Eindruck von einem beschaulichen, gleichförmigen Leben in einem engen bürgerlichen Städtchen ab, in dem jeder beinahe noch jeden kennt.

 

Wir staunten über vielen einzelnen Zierrat an den Fachwerkhäusern. Da wiederholen sich Rosetten in Holzbalken und Fensterrahmen, alte geistreiche Spruchweisheiten sind für die Ewigkeit in dicke Holzbalken geschnitzt, reiche und ausgefallene Stuckverzierungen schmücken die Giebel alter Häuser aus dem 16. Jahrhundert. Immer wieder entdecken wir kunstvolle Hauseingänge und restaurierte alte Haustüren, stilvoll, farbig, ehrbare Handwerksarbeiten.

 

Das Rathaus wurde 1347 erstmals erwähnt und 1839 von F. A. Stüler umgebaut und erweitert. Auf dem Großen Markt gegenüber dem Rathaus steht das aus dem Jahre 1498 stammende Rolandstandbild.

 

In der Bäckerstraße, einer Hauptgeschäftsstraße der Stadt, war eine 200 m lange Tafel für ein Spargelessen aufgebaut. Vor dem 2. Weltkrieg gab es im Umland 400 ha Spargelfelder. Perleberg war damals Haupt-Spargellieferant für die Großstadt Berlin.

 

Nach dem Mittagessen verließen wir die Stadt, durcheilten das Storchendorf Rühstädt und erreichten rechtzeitig zur angemeldeten Führung die Wallfahrtskirche in Bad Wilsnack.

 

Wir waren sehr überrascht, als wir hier auf halbem Wege zwischen Berlin und Hamburg, mitten in ländlicher Umgebung hörten, dass das Blutwunder von Wilsnack vom ausgehenden 14. Jahrhundert bis zur Reformation in der Mark Brandenburg 150 Jahre lang zu den drei bedeutendsten Wallfahrtsanlässen in Europa zählte.

Der damalige Priester Cahlbuez fand am 15. August 1383 in den Trümmern der von Ritter Heinrich von Bülow angezündeten und niedergebrannten Kirche drei erhaltene, blutende Hostien, die bald danach in religiös volkstümlicher Weise verehrt und angebetet wurden. Der Pilgerstrom im späten Mittelalter nach Wilsnack muß so groß gewesen sein, daß man einen so mächtigen neuen Kirchenraum baute. Auf der alten Poststraße von Berlin über Schönewalde, durch den Kremer wanderten Pilgerscharen aus Ungarn, Polen und Ostbrandenburg nach Wilsnack und suchten Ablaß von persönlichen Sünden zu erlangen.

Sehr beeindruckt waren wir von den riesigen Glasbildern in den großen Fenstern des Altarraumes. Das Glasbild in der Nordfront des riesigen Kirchenraumes ist seit dem 14. Jahrhundert in aller Ursprünglichkeit erhalten. Der erste evangelische Pfarrer in Wilsnack vernichtete die drei wundersamen Hostien und beendete damit die berühmten Wallfahrten nach Wilsnack.

 

Wenige Kilometer östlich von Bad Wilsnack liegt abseits von großen Straßen die alte

Plattenburg, die größte Wasserburg Norddeutschlands. Askanische Fürsten hatten sie nach der Rückeroberung der Mark 1316 zur Grenzsicherung errichten lassen. Lange Zeit war sie im Besitz der Familie von Saldern, einem Prignitzer Adelsgeschlecht. Nach dem 2. Weltkrieg diente die Burg als Reichsbahnferienheim, als Auffanglager und zerfiel mehr und mehr. Der Verein zur Förderung und Erhaltung der Plattenburg e. V. hat mit vorbildlichem Engagement auf diese Anlage aufmerksam gemacht, die Restauration eingeleitet und bleibt bemüht, die Burganlage mit neuem Leben zu erfüllen. Vor dem Burgtor stieß ich auf ein Hamburger Radlerpaar, das mit mächtigem Radlergepäck zu einer viertägigen Tour entlang der Elbe unterwegs war. Meine kritische Anmerkung über die Last der prall gefüllten Radeltaschen beantwortete die junge Frau mit dem Geständnis: "Ich kann mich immer so schlecht entscheiden, was ich mitnehmen soll!"

 

Unser touristischer Tagesausflug in die Prignitz hat viele Anregungen gegeben, weitere Erkundungen in dieser Region zu unternehmen.

 

Zurück zu den Erlebnisberichten --> weitere Erlebnisberichte


Zurück zum Eingang