Wanderung zwischen Potsdam und dem Sacrower See
(19.01.1999)

 

Der Wetterbericht hatte wieder einmal einen milden, sonnigen Januartag angekündigt und damit bei uns Wandergelüste geweckt. Mit unseren Freunden Renate und Manfred fuhren wir von Falkensee aus auf der Potsdamer Verbindungsstrecke über Seeburg hinaus bis kurz vor Krampnitz und bogen dann in eine schmale Waldchaussee ein, die uns nördlich am Krampnitz- und Lehnitz-See entlang 5 km auf abgelegener Strecke nach Sacrow führte. Auf dem Wanderparkplatz westlich des Sacrower Schlosses stellten wir unseren Wagen ab und wanderten am sonnigen Ostufer des Sacrower Sees zunächst in nördlicher Richtung. Diese Region war zu DDR-Zeiten nur für Anwohner zugänglich, die sich ausweisen konnten.. Das Wohngebiet am Sacrower See wird östlich von der Havel begrenzt; in der mittlerer Fahrtrinne verläuft die Grenze nach Westberlin. Die Uferbereiche dort waren durch die Sperrmauer "gesichert". DDR-Bewohnern war am nördlichen Ufer des Sacrower Sees ein begrenzter Badestrand zugänglich.

 

Ein stiller Waldweg am Seeufer entlang führte uns weg von Grundstücken der wenigen Ansiedler im südlichen Uferbereich in ein Landschaftsschutzgebiet hinein. Nach eineinhalb Kilometern verließen wir den Seebereich in westlicher Richtung, kamen vorbei an einer alten einsamen Försterei und wählten bald darauf einen langgezogenen neuen Kurs nach Südwesten, zurück in das Havelseen-Gebiet zwischen Nedlitz ( nördlichster Stadtteil von Potsdam) und Krampnitz. Diese zunächst gradlinige Trasse querte nach zwanzig Minuten unsere asphaltierte Zufahrtstraße. Auf der anderen Seite mußten wir im Wald zwei beachtliche Sanddünen überwinden, bevor sich der Weg im Wald kurz vor einem neuen Waldweg im Uferbereich des Lehnitz Sees im Gestrüpp verlor. Einem neuen Wanderweg folgten wir südwärts, passierten eine kleine Brücke und sahen vor uns im Wald einen mächtigen, breiten Sandbuckel, über den hinweg unser Weg führte. Wir müßten etwa 15-20 m ansteigen, erreichten die Anhöhe mit ihrem imposanten Blick auf die freien Wasserflächen im Westen und Süden, die sich weit nach Südosten hinzogen. Wir standen an dieser strategisch sicher gelegenen Stelle auf dem Umfassungswall einer bronzezeitlichen Burganlage, die ein Rechteck von 125x175 m Seitenlänge und 3,50 m Wallhöhe ausmacht. Befestigungswall und Grabensystem kann man noch sehr deutlich im Gelände erkennen. Von außen anstürmende Eroberer hatten einen steilen Anstieg zu erkämpfen, mußten einen Pallisadenzaun, der von innen verteidigt wurde, und einen anschließenden Graben überwinden.

 

Diese frühe Burganlage war dem Arzt und Archäologen Dr. Virchow bekannt, sie wurde zu Beginn unseres Jahrhunderts von dem Archäologen Carl Schuchhardt ausgegraben und zählt neben der Anlage in Burg (Spreewald) zwischen Werra und Oder-Neiße zu den größten Burgen der mitteldeutschen Bronzezeit, von denen etwa 60 immer in Bereichen von damaligen Handelsstraßen geortet wurden. Etwa vor 3000 Jahren wurden im Rahmen intensiven Landausbaus auch neue Siedlungsgebiete, wie der Spreewald, in dieser ostelbischen Region erschlossen. Diese damaligen Veränderungen im Siedlungswesen waren begleitet von Veränderungen der Sozialstruktur. Sichtbar wird hier erstmals das Zusammenwirken größerer Bevölkerungsgruppen, wohl unter zentraler Leitung, was zur Herausbildung von Herrschaftsstrukturen führte. Solche Herrschafts- und Kulturzentren sind in den ehemaligen Burgwällen zu sehen.

 

Von hier aus wanderten wir nun ostwärts am Jungfernsee entlang der Havel zu, wo auf jüngstem geschichtsträchtigem Sandboden 28 Jahre lang ein inzwischen geschleifter 156 km langer Schutzwall um Westberlin herum die nachbarschaftlichen Beziehungen der Menschen zum Erliegen brachte. Von hier aus konnten wir die Silhouette von Potsdam ausmachen, erblickten die Glienicker Brücke, Schloß Babelsberg, den Flatow Turm und auf der Berliner Seite Schloß Glienicke, den Fernmeldeturm am Schäferberg und bald darauf auch die Heilandskirche am Havelufer, letztes Zwischenziel unserer ausgedehnten Wandertour. Die Heilandskirche war zur Mauerzeit nicht zugänglich. Sie wurde nach der Wende renoviert. Hier finden wieder regelmäßig Gottesdienste statt. Nur wenige wissen, daß von diesem Turm aus 1897 Graf von Arco zusammen mit Adolph Slaby in Deutschland die ersten Versuche drahtloser Telegrafie hinüber zur Pfaueninsel unternahmen und damit Wegbereiter vor allem auch des Rundfunks wurden.

 

Kurz bevor wir unseren Parkplatz erreichten, passierten wir das Schloß Sacrow. Es liegt heute renoviert in einem weiten Waldgebiet zwischen der Heilandskirche und dem Sacrower See. König Friedrich Wilhelm IV. kaufte 1840 das Gut Sacrow. Es wurde später Wohnsitz des Pfarrers der Heilandskirche. In den Hitlerjahren war das Schloß Amtssitz des Reichsjägermeisters. Heute dient es als Begegnungsstätte junger Menschen.

 

Wir werden gern wiederkommen nach Sacrow zu einer Variante des Rundkurses in den hügeligen Wäldern zwischen weiten Seen rundum.

H.-U. Rhinow

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